Alexandra Kieser

Sie studierte Musiktheater-Regie bei Götz Friedrich an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg und ging u.a. bei Gian-Carlo del Monaco und Peter Konwitschny in die Lehre.

 

Britten erzählt in „The Rape of Lucretia“ eine alte Geschichte, einen Mythos, der noch vor Gründung der Römischen Republik spielt. Was hat dieses Stück mit uns heute zu tun?

Es ist ein zeitlos aktuelles Stück, das zum einen von der Verrohung, Gewalt und Macht in unserer Welt erzählt, zum anderen aber auch von Sehnsüchten und Verlangen. Das zentrale Thema ist sicherlich das Täter-Opfer-Motiv. Aber diese Oper zeigt auch den Weg, der zu Tarquinius' Tat führt. Ein Mann, der bisher nur oberflächliche Begegnungen zu Prostituierten kannte und nie eine ernsthafte Beziehung erfahren hat, begehrt Lucretia, eine Frau, die für Liebe, Partnerschaft und Geborgenheit steht. Er geht nicht, wie oft interpretiert wird, mit dem Vorsatz der Vergewaltigung zu ihr. Tarquinius versucht anfangs auf sehr sanfte Art, Lucretia zu verführen. Lucretia wiederum, die seit Wochen auf ihren Mann wartet und sich nach dessen Berührungen sehnt, gerät in eine Situation, in der sie ebenfalls mit ihrem Verlangen kämpfen muss. Doch sie verweigert sich Tarquinius. Er, der „Prinz von Rom“ ist ein Machtmensch und kann an diesem Punkt nicht mehr zurück. Er geht seinen eingeschlagenen Weg weiter, um seine Gier zu stillen. Indem er Lucretia zerstört, zerstört er gleichzeitig das, wonach er sich am meisten sehnt – und damit sich selbst.

 

Diese Kammeroper entstand im Nachkriegsjahr 1946. Wie kann man sich die Musik vorstellen, die Britten hier komponiert hat?

In einem Wort: großartig. Es ist eine echte „Theatermusik“, eine sehr kraftvolle Partitur, die die handelnden Personen und ihre Psychologie äußerst verständlich widerspiegelt. Und auch wenn das Stück keine 70 Jahre alt ist, hat es doch einen irgendwie „klassischen“ Gestus. Man nannte Britten ja nicht ohne Grund den „Mozart seiner Zeit“, und er liebte Henry Purcell, das hört man auch. Das Instrumental-Ensemble, für das er komponiert hat, ist verhältnismäßig klein – das macht nicht nur einen schönen transparenten Klang, sondern passt sich auch in die akustischen Gegebenheiten der Kammerspiele hervorragend ein. Was Britten aus diesem Dutzend Instrumente an Klangfarben und Stimmungen herausholt, ist erstaunlich.

 

Das Meininger Theater kennen Sie bereits aus früheren Zusammenarbeiten. Gibt es etwas, auf dass Sie sich persönlich freuen?

Ganz besonders freue ich mich auf die Zusammenarbeit mit den Darstellern, die ich ja bereits während der „Hochzeit des Figaro“ und dem „Liebesverbot“ kennenlernen durfte. Am Meininger Theater gibt es ein wunderbares Sängerensemble, Künstler mit herrlichen Stimmen und schauspielerischem Talent – es ist eine Freude, mit ihnen zu arbeiten