Thüringen Philharmonie Gotha-Eisenach
FERNES LICHT
Violine: Alexej Barchevitch
Dirigent: Russell Harris (anstelle von Markus Huber)
Chefdirigent Markus Huber muss auf Grund einer kurzfristigen Erkrankung seine Mitwirkung am Sinfoniekonzert „Fernes Licht“ leider absagen. Die Thüringen Philharmonie Gotha-Eisenach ist dem Dirigenten Russell Harris sehr dankbar, dass er sich dazu bereiterklärt hat, die musikalische Leitung dieses Sinfoniekonzerts zu übernehmen. Das Programm mit Werken von Jean Sibelius, Pēteris Vasks und Dmitri Schostakowitsch bleibt unverändert.
Jean Sibelius: „Finlandia“ – Sinfonische Dichtung op. 26
Pēteris Vasks: Konzert für Violine und Streichorchester – „Tāla gaisma“ (Fernes Licht)
Dmitri Schostakowitsch: Sinfonie Nr. 10 e-Moll op. 93
In Zeiten von politischen Umbrüchen, Diktaturen und Zensuren herrschen gesellschaftliche Ungewissheit, Intransparenz und kulturelle Dunkelheit. Umso wichtiger war und ist von jeher die künstlerisch kritische Auseinandersetzung und schöpferische Abrechnung mit Regimen. Unterschwellig kritische Künste ermöglichen den Weg zu soziopolitischer Freiheit und Selbstbestimmung – ein „Licht in der Ferne“ am Ende des düsteren Tunnels kann auf diese Art und Weise sichtbar gemacht werden.
Ende des 19. Jahrhunderts war Finnland, die Heimat des Komponisten Jean Sibelius, eine kleine Provinz des riesigen russischen Reiches; alle Bestrebungen zur Unabhängigkeit wurden von Zar Nikolaus II. rigoros unterdrückt. Vor allem Intellektuelle wandten sich gegen die Fremdherrschaft – mit ihren Protestaktionen standen Werke wie die „Karelia“-Suite oder auch die Tondichtung „Finlandia“ in engem Zusammenhang. Mit „Finlandia“ vertonte Sibelius den nationalen Freiheitsgedanken gegen die zunehmende Russifizierung und so wurde sie bald zur heimlichen Nationalhymne der Finnen.
Die Klangschönheit, die der Lette Pēteris Vasks in seiner Komposition „Tāla gaisma“ (Fernes Licht) beschwört, wäre nicht möglich ohne die Erfahrung von Gewalt und Grausamkeit in dieser Welt. Er wuchs in Unfreiheit auf und war seines Glaubens und seiner künstlerischen Überzeugungen wegen den Repressalien der russischen Kulturdoktrin ausgesetzt. Rund fünf Jahre nach der baltischen Emanzipation von Russland entstand das Konzert für Violine und Streichorchester, dessen Titel darauf verweist, dass eine bessere Welt in der Ferne zwar noch nicht zu erkennen, aber durchaus zu erahnen ist.
Wohl kaum ein anderer russischer Komponist des 20. Jahrhunderts musste derart viele persönliche Schikanen, Zensuren und Aufführungsverbote von Seiten des totalitären sowjetischen Regimes über sich ergehen lassen, wie Dmitri Schostakowitsch. Er zählte zu den größten Kritikern der Sowjetunion und damit einhergehend zu den ungeliebten Feinden Josef Stalins. Nach dessen Tod brachte Schostakowitsch seine „Sinfonie Nr. 10 e-Moll op. 93“ zu Papier, die als eine Art Abrechnung mit dem stalinistischen Regime zu betrachten ist. Seinem eigenen Zeugnis nach wird in dieser Sinfonie die Stalin-Ära beschworen und zwar im Sinne eines Befreiungsversuches von seelischen Verkrampfungen und Deformationen. Am Ende überrascht Schostakowitsch nach vielen sarkastischen und aggressiven Klangmomenten mit einem sehr plötzlichen, nicht erwartbaren strahlenden E-Dur – dies wirkt wie eine Karikatur auf die positive Botschaft, die das Sowjet-Regime von seinen Künstlern erwartete.